Kirchberg - Vicus



Kirchberg die älteste Stadt im Hunsrück liegt an der Kreuzung bedeutender prähistorischer Wege.
Hügelgräberfelder erstrecken sich entlang des  wichtigen Verkehrsknotenpunktes der die Flusstäler Nahe, Rhein und Mosel miteinander verband. In römischer Zeit folgten ausgebaute Straßentrassen dem prähistorischen Wegeverlauf.
Unter der heutigen durch Kirchberg führenden Simmerner Straße konnte bei Bauarbeiten im Jahr 1850 die Fundamentierung einer römischen Straße nachgewiesen werden.
Verschiedene Lagen unterschiedlicher Baumaterialien bildeten einen soliden Untergrund für den geschotterten Straßenbelag.
Meilensteine gaben den Reisenden zu Fuß, zu Pferd oder zu Wagen in regelmäßigen Abständen Auskunft über die Entfernungen zu den nächsten Orten.
Die römische Straße durch Kirchberg ist ein Teilstück der bedeutenden über den Hunsrück verlaufende Trier mit Bingen bzw. Mainz verbindende
Der römische Dichter Decimus Magnus Ausonius, hatte um 370 n. Chr. Kaiser Gratian auf einem Feldzug gegen die Alamannen begleitet und berichtet über seine Rückreise von Bingen über Hunsrück nach Trier folgendes:
»Von Bingen reise ich in einsamer Fahrt durch unwirt­liche Wälder, ohne Spuren menschlicher Zivilisation zu sehen, und passiere das ausgedörrte
Dumnissus, das heutige Kirchberg, wo die Erde dürstet.
Passiere das von nie versiegender Quelle bewässerte Tabernae und die Äcker, die kürzlich sarmatischen Zwangs­siedlern zugeteilt wurden.
Dann endlich erblicke ich am Rande des Landes der Provinz, Noviomagus, das heutige Neuma­gen, das berühmte Kastell des verewigten Konstantin.
Reiner liegt hier die Luft auf den Feldern, und wolkenlos eröffnet die Sonne mit heiterem Licht das blaue Firmament; nicht mehr muss man durch wie gefesselt miteinander verflochtene Äste den Himmel suchen, den das Waldesdunkel ausschließt
Auf der mittelalterlichen Abschrift einer römischen Reisekarte, der Tabula Peutingeriana, ist der von Bingen nach Trier führende Weg verzeichnet.
Im Ortsnamen Kirchberg hat sich der antike Name Dumnissus nicht mehr erhalten.
Sprachlich wird Dumnissus heute noch im Ortnamen Denzen, einem Ortsteil Kirchbergs fortsetzt.
So überrascht es nicht, dass bei Renovierungsarbeiten in der Micha­elskirche römische Siedlungsspuren entdeckt wurden.
Im Grabungsareal wurde ein Brunnen im gepflasterten Hinterhof eines römischen Wohngebäudes erfasst. In den Gemüse- und Kräutergärten hinter den Häusern pflanzte man Möhren, Rüben, Feldkohl, Feldsalat an.
Auch im Ortsteil Denzen fand sich ein weiterer Brunnen, römische Mün­zen und Keramik datieren die Besiedlung in das 1. bis  Jahrhundert. n. Chr.
Die römischen Straßendörfer glichen sich weitgehend. Charakteristisch ist eine Bebauung auf langrechteckigen ca. 10x30 m großen Grundstücken. Die Schmalseite dieser Grundstücke grenzte an die Straße, Hier stand ein langes Gebäude, das so genanntes Streifenhaus, mit Wohnräumen, Werkstatt, Lager und Verkaufsraum. Im hinteren Teil des Grundstücks waren Schuppen, Garten, Latrine und Brunnen zu finden.
Die lateinische Bezeichnung für die dörflichen bis kleinstädtischen Siedlungen lautete vicus. Vicus bedeutet ursprünglich „Straßenzeile, Quartier“. Die Bewohner der römischen Siedlung nannten sich vicani; sie waren Gastwirte, Bäcker, Metzger, Bauhandwerker, Töpfer, Schuster, Schreiner, Transportunternehmer und Kaufleute.
Vicusbewohner und Durchreisende nahmen ihre Dienstleistungen in Anspruch. War die Kutsche oder der Handkarren während der Reise beschädigt so fand sich hier, vergleichbar heutiger Situation entlang der Ausfallstraßen größerer Städte, ein Reparaturbetrieb.
Zu jeder menschlichen Ansiedlung gehört ein Friedhof. Aus Kirchberg stammen zwei Steinkisten mit Inschrift, in denen sich  Brandbestattungen des 2. Jahrhunderts n. Chr. fanden.
Laut der Inschrift war einer der Bestatteten von Beruf Kupferschmied. Sie hatten, der eine für sich und seinen verstorbenen Bruder, der andere für sich und seine verstorbene Frau Grabmäler anfertigen lassen. Erstmals fassen wir in der langen Geschichte Kirchbergs »einfache« Menschen als Individuen mit Namen und  Beruf.

[Martin Thoma]